In grellen Farben wirbt dieser Bierdeckel für die Idee der Wohnungsbaugenossenschaften.
Dabei ist die Idee, Wohnen genossenschaftlich zu organisieren, keineswegs neu. Schon Ende des 19. Jahrhunderts kam angesichts des Wohnungselends vieler Arbeiter*innen in den großen Industriestädten die Idee auf, Menschen von der Abhängigkeit gegenüber ihren Vermieter*innen zu befreien. So wurde zusammengelegt und gemeinsam Wohnraum erworben. Die Mieter*innen einer Genossenschaft sind also streng genommen gar keine, sondern besitzen Genossenschaftsanteile und damit Anteile an ihrer Wohnung.
Auch wenn sich die Wohnsituation vieler Berliner*innen im Vergleich zu damals verbessert hat, besteht in Berlin auch aktuell wieder Wohnungsnot.
Es fehlen vor allem günstige Wohnungen für ärmere Menschen, Berlin bräuchte zum Beispiel 130.000 zusätzliche Sozialwohnungen. 2018 starteten der Verein Wohnungsbaugenossenschaften Deutschland in Berlin eine große Imagekampagne, um auf ihre Rolle in dieser Situation aufmerksam zu machen. Auf Plakaten, Bussen, Litfaßsäulen und eben auch auf Bierdeckeln wirbt der Zusammenschluss von 29 Unternehmen mit Slogans wie „‘Dauernutzungsvertrag‘ Klingt nur nicht so sexy wie er ist.“ und „Werde Immobilienbesitzer. Besitzer!“ Dabei ist der Spruch „Genossenschaft kommt von Genießen“ kein schlechter Wortwitz. Das Wort Genossenschaft geht tatsächlich auf denselben Wortstamm wie Nutzen, Vorteil, Besitz, Vermögen und damit Genießen zurück.
Über mangelnde Nachfrage können sich die Genossenschaften derweil nicht beschweren. Die Durchschnittsmiete von 5,61 Euro pro Quadratmeter (Stand 2020) dürfte dazu beitragen, dass viele Menschen lange Zeit darauf warten, in einer Genossenschaft Mitglied zu werden. 2016 wurde die „Idee und Praxis der Organisation gemeinsamer Interessen in Genossenschaften“ in die Liste des Immateriellen Kulturerbes der Menschheit der UNESCO aufgenommen, als erster deutscher Beitrag überhaupt. Damit wurde das bürgerschaftliche Engagement jenseits von privaten und staatlichen Wirtschaftsformen explizit gewürdigt.
In unserer derzeitigen Sonderausstellung „Profitopolis“ zeigen wir diese Werbung für die Genossenschaftsidee, um unterschiedliche Besitz- und Mietverhältnisse in der Umgebung des Museums zu thematisieren. So ist das Heinrich-Heine-Viertel seit seiner Entstehung in der frühen DDR und bis heute in genossenschaftlicher Hand, während die ursprünglich gänzlich städtische Otto-Suhr Siedlung zum Teil an private Immobilienunternehmen verkauft wurde. Welche Konsequenzen sich aus diesem Verkauf ergaben und was das mit einer der erfolgreichsten Mieter*inneninitiativen der letzten Jahre zu tun hat, können Sie bei uns im Museum erfahren.
Dieser Bierdeckel ist aktuell in der Sonderausstellung „Profitopolis oder der Zustand der Stadt“ zu sehen.