Beim Spielen können Kinder und Erwachsene zukünftige oder alternative Lebenswelten „durchspielen“. Brettspiele, Puppenhäuser und auch Computerspiele konstruieren gesellschaftliche Modelle und offenbaren normative Vorstellungen und kulturelle Ideale ihrer Zeit. So geben sie Aufschluss über Einrichtungsstile,Geschlechterrollen, Werte oder Statussymbole. Im Spiel werden bestimmte Bedürfnisse sowohl befriedigt als auch hervorgerufen und soziale Ordnungen reproduziert und verinnerlicht. Bei der Auswahl von Spielen wirken die Vorstellungen und Vorlieben der Erwachsenen, die Wünsche der Kinder und die Narrative der Spielzeugindustrie zusammen.
Das Brettspiel Klassenkampf bringt ein ungewöhnlich deutlich politisches Thema auf den Spieltisch: die Geschichte und Realität sozialer Auseinandersetzungen zwischen Kapital und Arbeit. In einer Mischung aus Würfelglück und Strategie verkörpern die Spielenden verschiedene gesellschaftliche Klassen – etwa Kapital (Zylinder), Arbeit (Schraubenschlüssel), Mittelstand (Kasse), Bauern (Traktor), Intelligenz (Schreibfeder) oder die Neue Mittelklasse (Aktentasche). Die Klassenzugehörigkeit wird dabei nicht gewählt, sondern ausgelost – durch den sogenannten „genetischen Würfel“. Ganz wie im wirklichen Leben, wo Startbedingungen selten selbst bestimmt sind.
Ziel des Spiels ist nicht nur der Sieg, sondern das Verständnis: Es lädt dazu ein, sich mit den sozialen und wirtschaftlichen Realitäten des 19. und 20. Jahrhunderts auseinanderzusetzen – mit Kämpfen um bessere Arbeitsbedingungen, Bildung, politische Mitbestimmung und die Frage, in wessen Interesse gesellschaftliche Entwicklungen verlaufen. Der historische Konflikt zwischen Besitz und Ausbeutung, Herrschaft und Emanzipation wird dabei als Spielhandlung durchgespielt – bis hin zu der finalen Entscheidung: Bleibt die Ordnung bestehen, oder gelingt der Übergang zu einer solidarischen Gesellschaft?
Unser Ding des Monats ist derzeit in der aktuellen Sonderausstellung „Milieudinge – von Klasse und Geschmack“ zu sehen.