Gustav Edmund Pazaurek, frühes Werkbundmitglied und Museumsdirektor, engagierte sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit großem Eifer gegen den schlechten Geschmack und im Zuge dessen auch gegen gewisse Formen der Imitation.
Er gründete eine Abteilung der Geschmacksverirrungenam am Landesgewerbemuseum Stuttgart, welche als erzieherisches Negativbeispiel für die Gesellschaft dienen sollte. Zu den von ihm ersonnenen Fehlerkategorien zählen die sogenannten „Konstruktionsfehler“, worunter er als weitere Unterkategorie „billige Originalität – grobe Fälschungen, fantasielose Nachahmungen von etablierten Entwürfen und Formen, billige Plagiate“ subsumierte.
Imitation als kulturelle Strategie findet sich auch jenseits des Produktdesigns in den unterschiedlichsten Kontexten wieder: Von der Mimesis als Prinzip künstlerischer Nachahmung über Serienfilme und Remakes, Sampling als Verfahren zeitgenössischer Musikproduktion, modischen Subkulturen bis hin zur Konstruktion geschlechtsspezifischen Bewusstseins. Sind Nachahmungen tatsächlich „böse Dinge“ im Sinne von Pazaureks Fehlersystematik?
Der Mensch steht eben den Affen am nächsten, und diesen wird ein besonders entwickelter Nachahmungstrieb nachgesagt. Die Nachahmung kann sehr verschiedene Formen und Grade aufweisen, von der fast unbewußten, schüchtern modifizierten Anregung angefangen bis zum schamlosen Plagiat, das von A bis Z von einer Vorlage gestohlen ist und dennoch frech einen neuen Autornamen trägt.
G. E. Pazaurek: Guter und schlechter Geschmack im Kunstgewerbe. Stuttgart, Berlin 1912
In diesem Monat haben wir uns entschieden, eine Ding-Gruppe von Imitationen vorzustellen. Die Formensprache der Tischleuchten mit runder Platte, zylindrischem Rohr und kugelförmigem Schirm erinnert an die ästhetische Linie und an ein bestimmtes Produkt aus dem Kontext des Bauhauses. Die Proportionen sowie die Wahl der Materialien hingegen entsprechen dem Original nicht, sondern wandeln sich ihm mehr oder minder an: Handelt es sich um Glas oder um glasig anmutenden Kunststoff, um eine vernickelte Oberfläche oder um Chrom?
Original und Plagiat existieren dabei erst in ihrer gegenseitigen Verweisbeziehung: Je größer der Kontrast, desto stärker treten die Eigenschaften des Originals als das „Ursprüngliche“ und „Wahre“ in den Vordergrund. Während Imitationen einerseits ästhetische Spielformen oder potenzielle Weiterentwicklungen einer Idee oder eines Dinges sein können, werden sie andererseits als eine Bedrohung des originalen Entwurfs wahrgenommen. Auch im Designbereich werden die Rechte der Urheber*innen durch Patentgesetze geschützt. Insbesondere im Zeitalter maschineller Reproduzierbarkeit müssen Originale bzw. Lizenzprodukte durch entsprechende Nummerierungen und Stempel gekennzeichnet werden.
Doch wie unterscheidet sich Trash von Treasure, Fake von Original, Plagiat von Lizenzprodukt? In der Langen Nacht der Museen am 31. August 2019 geht Kunsthistorikerin Dr. Heide Rezepa-Zabel diesen Fragen nach Werten und Wertigkeiten im Werkbundarchiv – Museum der Dinge u.a. am Beispiel der Bauhaus-Leuchte auf den Grund.