Der Raum als zentrales Exponat
Museen sind Orte der erlebbaren Dreidimensionalität, Heterotopien im Sinne Foucaults. (1) Die Verschränkung der musealen Praktiken von Deponieren und Exponieren setzt das Vorhanden sein sowohl eines konkreten Ortes wie auch konkreter Dinge voraus. Die Museumspraxis pflegte allerdings lange eine Differenzierung, welche das Deponieren primär mit dem Ort, das Exponieren mit dem Objekt verband. Das Sammeln und Bewahren der materiellen Hinterlassenschaften wurde dann zur Frage des Umfangs, Fassungsvermögens und der konservatorischen Bedingungen des Ortes, wohingegen das Ausstellen sich allein den zu zeigenden Objekten widmete.
Doch wie das Bewahren mit dem Phänomen der Materialität und der Ordnung der gesammelten Objekte verbunden ist, so charakteristisch sind für das Ausstellen die Art der Objektpräsentation und das Arrangement im Raum. Wenn Museen als Orte der Außeralltäglichkeit, der Erfahrung des Anderen und Fremden besucht werden, ist aber nicht nur das Betrachten von seltenen, in irgendeiner Weise besonderen und wertvollen Objekten beabsichtigt und gewünscht, sondern der Besuch eines sich vom alltäglichen Umfeld gravierend unterscheidenden Ortes, den man sich in der Bewegung gemeinschaftlich aneignen kann. Als Ort der Begegnung nicht nur des Anderen (Gegenstands), sondern auch der Anderen (Personen) nimmt der räumliche Kontext den entscheidenden Einfluss. Denn sowohl die Architektur, als auch die Ordnung im Raum, die Beziehungen von Objektinstallationen zueinander, zu Leerräumen und Außenräumen definieren die Bewegung, Abstand, Stillstand, Konzentration und nicht zuletzt die Kommunikation zwischen Besucher und Präsentation. Aufgrund dieser Festlegungen müssen Ausstellungen als Raumkonstruktionen verstanden werden, welche Sinnkonstruktionen und Deutungen nicht nur mittels der ausgestellten Objekte, sondern wesentlich durch deren Eingebundenheit in einen spezifisch gestalteten Raum verfügbar machen.
Diesem Verständnis von Ausstellungen als Konstruktionen von Räumen ist die Ausstellungsarbeit des Werkbundarchivs – Museum der Dinge gewidmet. Grundlegend für diese Arbeit ist, Ausstellungen als Orte der sinnlichen Anschauung und Auseinandersetzung zu begreifen, womit der Ausstellungsraum zum elementaren Medium für Wahrnehmungen, Erfahrungen und Vermittlung wird. In anderen Präsentationsformen überwiegend ignoriert oder in der sogenannten weißen Moderne der 60er Jahre neutralisiert, erhält der Raum konkrete Funktionen des Rahmens, Umschließens, Gliederns, Kontextualisierens, Verfremdens und nicht zuletzt der Kommunikation. Die ausdrückliche Raumgestaltung erzeugt spezifische Atmosphären, stimuliert und löst Verhalten aus, fördert Kommunikation oder weckt Assoziationen, versetzt in Stimmungen und sensibilisiert für Wahrnehmungen. Begehbaren Bühnenbildern vergleichbar, werden im Werkbundarchiv – Museum der Dinge die Ausstellungsräume künstlerisch (2) durchgestaltet, was sie artifiziell, konstruiert, assoziationsreich und Alltagssituationen grundsätzlich fremd macht. Das Museum selbst hat für diese Ausstellungsräume die Bezeichnung „Raumbilder“ eingeführt. Nach Eckhard Siepmann, einem der Kuratoren des Museums, entstehen „…Raumgefüge auf der Basis ding-generierter Assoziationsfelder, interagierender Sphären, Montagen und Verfremdungen…Diese Raumgefüge sind weit entfernt von der Staffage der Inszenierung; sie sind im Gegenteil eher sparsam, haben Elemente von Konzept-Kunst… .“ (3) Nichts wird im konventionellen Sinne von Vorzeigen oder Darbieten präsentiert. Wo Vitrinen genutzt werden, sind sie ironische, provozierende Zitate oder mit einer ausgewählten Codierung versehene Präsentationsmittel, die als „Schutzhüllen“, „Türme“, „Depotschränke“ oder „Raumteiler“ wahrgenommen werden. Auf Grund des artifiziellen Charakters unterscheiden sich diese Räume von szenischen Arrangements, welche sich auf einen realen Kontext beziehen, diesen wiedergeben und darstellen wollen. Sie verweisen vielmehr auf eine aktuelle Auseinandersetzung mit der Sammlung oder einer abstrakten Thematik, welche in räumliche Strukturen übersetzt wurde. Indem die Aufmerksamkeit auf den Raum gerichtet wird, ist primär das Wahrnehmen und Erleben dieses Raumes beabsichtigt, wodurch an eine Auseinandersetzung mit dem Präsentierten herangeführt und eine Positionierung sowie Weiterführung stimuliert werden soll. Intendiert sind räumliche und ästhetische Erfahrungen, die gewohnte Denkarten und Bewertungen in Frage stellen, zur Auseinandersetzung animieren und neue Betrachtungsweisen erschließen. Dabei fordert der Raum vom Besucher zumindest ein jeweils spezifisches Verhalten, Handeln, zumindest Bewegen, wenn beispielsweise Vorhänge Innenräume verschließen, Objekte den Boden versperren oder Vitrinen dicht gedrängt stehen. Vorausgesetzt wird Neugierde, die eine grundlegende Bereitschaft zum Entdecken, Einlassen, Suchen, Fragen, Nachdenken und Entschlüsseln sichert. Diese Neugierde wie auch das Besucherverhalten werden durch die Gestaltung der Räume nicht nur stimuliert, sondern auch geleitet.
Präsentationsästhetiken (4)
Es muss vorangestellt werden, dass mit Präsentationsästhetik keine Ästhetisierungen im Sinne einer Erzeugung von Schönheit, Harmonie und Ideal- oder Wunschbildern gemeint sind, sondern ein Ausnutzen der sinnlichen und poetischen Qualitäten von Gestaltungen und deren Inanspruchnahme für Wahrnehmung, Sensibilisierung und Vermittlung. Wenn das Museum bzw. die Ausstellung als künstlerisches Medium und der Ausstellungsraum als zentrales Exponat begriffen werden, wird die Ausstellungsästhetik zugleich zu einem der wichtigsten Kommunikationsmittel. Signifikant dafür war beispielsweise in der Ausstellung „Niemals echt. Die Kunststoffsammlung im Werkbund-Archiv“ (5) der erste Raum gleichsam vom Boden bis zur Decke mit dem thematisierten Material ausgekleidet. Dieser Eindruck, noch verstärkt durch den intensiven, markanten Geruch, führte auf sinnlich, emotionaler Ebene unmittelbar zu individuellen Wahrnehmungserfahrungen und Erinnerungen, die mit dem Material Kunststoff verbunden sind. Die Raumgestaltung (6) schuf somit eine Ästhetik, die sich unmittelbar auf das Material bezog, dieses sinnlich präsent hielt und dessen Qualitäten, wo möglich, in Raumqualitäten übersetzte.
Der ursprüngliche Raum war durch Innenräume und Gänge unübersichtlich geworden, doch spielten die opaken Vorhänge mit Transparenz. Die räumlichen Abgrenzungen wurden angesichts der Durchlässigkeit des Materials relativ, da Geräusche zu hören und Objekte wie Personen wenigstens schattenhaft erkennbar waren. Die Ausstellungsobjekte, hauptsächlich alltägliche Massenware, wurden entsprechend dieser Definition folgerichtig ohne erhöhendes Podest oder schützende Abtrennung vom Besucherareal direkt auf den Boden gestellt. Diese Art des Arrangements war eher zurückhaltend als gestenreich. Sie richtete den Fokus ausschließlich auf die Beziehungen zwischen den ausgewählten Objekten der Präsentation.
Die Ästhetik des Raumes prägte somit – fast ausschließlich auf der Basis sinnlicher Wahrnehmung und der Betrachtung der Ausstellungsobjekte gewissermaßen vorangestellt – einen ersten Eindruck und eine vorläufige Haltung zur Ausstellung, indem Erwartungen korrigiert, bestätigt und erzeugt wurden und der Besucher in eine spezifische Stimmung versetzt wurde. Die Fremdheit des Raumes, seine Außeralltäglichkeit auch in Bezug auf gewohnte Ausstellungserfahrungen, bewirkte Neugier, Faszination, Abneigung oder Irritation.(7) Die Art und Weise der Präsentation erzwang aber auch einen ungewohnten, oft rätselnden, manchmal unbequemen Blick auf die ausgestellten Objekte. Die Komposition der Objekte wie des Raumes trug deutlich metakommunikative Codierungen, welche sowohl auf die Haltung der Ausstellungsmacher zum thematisierten Gegenstand als auch auf deren Auseinandersetzen mit den Ausstellungsobjekten und der Präsentationsform verwiesen.
Dingbedeutsamkeit (8)
Auch wenn im vorangegangenen Ausstellungsraum und –ästhetik hinsichtlich der Wahrnehmungen und Erfahrungen von Besuchern hervorgehoben wurden, bleibt doch die Sammlung von Objekten der Ausgangs- und Schwerpunkt im Werkbundarchiv – Museum der Dinge. Denn Ausstellungsobjekte sind auf Grund ihrer materiellen und sinnlichen Präsenz, nach Flagmeier (9) ihrer „Leibhaftigkeit“, für die Konstruktion von Raumbildern favorisiert.(10) Durch alltägliche Präsenz und Gebrauch dem Menschen vertraut, bilden die sinnlich wahrnehmbaren Qualitäten der Objekte in der Ausstellung die Vermittler zwischen dem Alltag des Besuchers und der Fremdheit der gezeigten Zusammenhänge. Die Verweise auf vielfältige Phänomene der Vergangenheit bis Gegenwart, welche die Objekte und mehr noch deren mögliche Kombinationen liefern, sichern den Raumbildern ihre Grundlage. Denn die absichtsvollen Raumkonstruktionen zeugen primär von einer spezifischen, subjektiven und aktuellen Haltung, Umgangsweise und Auseinandersetzung mit der Sammlung. Mit den ausgewählten, vornehmlich abstrakten Phänomenen wie Entfremdung, Leidenschaft, Standardisierung, Moral oder Stil wird Geschichte und Gegenwart unter Fokussierung eines oder mehrerer ausgewählter Aspekte betrachtet und zur Diskussion gestellt, wie sie sich in den Codierungen an materiellen Objekten zeigt. Diese Codierungen beziehen sich nur teilweise auf einen ehemaligen oder aktuellen Gebrauchskontext der Objekte, denn dort sind sie meist von den Codierungen verdeckt, die unmittelbar an die Gebrauchsfunktion gebunden sind. Durch die Bündelung vergleichbarer Codierungen von Ausstellungsobjekten sowie durch die Gestaltung eines entsprechenden Präsentationskontextes kann allerdings unmittelbar auf diese Phänomene verwiesen werden. Unterstützend wirkt hier die museumsspezifische, durch die Prozesse der Musealisierung hervorgerufene Distanzierung und Entfremdung der Ausstellungsobjekte von ihrem vormaligen Gebrauchskontext.
Die initialisierende Position der Objekte im Ausstellungsprozess bezieht sich somit nur selten auf eine Präsentation von Einzelstücken. In den Präsentationen von Raumbildern wird vielmehr versucht, die sinnlichen Qualitäten der Objekte mit denen des Raums zu einem wahrnehmbaren Ganzen zu verbinden, um einen Ort für die Wahrnehmung der konstruierten Sinnbezüge und Deutungen zu schaffen. Die Untersuchungen an den Dingen können dabei auch zu so starken Abstraktionen führen, dass der Prozess der Auseinandersetzung in der Ausstellung nicht mehr vom Besucher rückverfolgt werden kann oder soll. Nicht immer stimmen die Initialobjekte mit den letztlich ausgestellten Objekten überein. Denn gewisse Objekte sind zwar Auslöser für die präsentierten Deutungen und Wertungen, doch kann jede neue Kombination die Zusammenhänge und Verweise ergänzen, verändern oder ersetzen. Für Ausstellungen werden mögliche Konstellationen ausgetestet und sich schließlich für jene entschieden, die dem Ausstellungsanliegen am dienlichsten erscheint. Die Beschäftigung mit den Objekten kann jedoch auch zu deren Eliminierung innerhalb der Präsentation führen, wenn hinsichtlich der Vermittlungsabsichten die Andeutung konkreter Objekte, deren Distanzierung durch mediale Vermittlung oder sogar die Erzeugung einer deutlich wahrnehmbaren Leerstelle wirksamer scheint. So zeigte eine mehrfach präsentierte Wandgestaltung im Werkbundarchiv – Museum derDinge auf große Stoffbahnen gedruckte Fotografien von Regalen mit Objekten der Sammlung. Die Art der Präsentation, meist in einem langen Gang, simulierte eine Depotsituation. Die Entscheidung, das Depot nur virtuell in die Ausstellung zu verlegen und nicht begehbar zu machen, wurde aus räumlichen Gründen getroffen. Doch auch die fotografische Dokumentation der vorhandenen Depotschränke in einem 1:1 Verhältnis erwies sich für die beabsichtigte (Re)Präsentation wenig geeignet. Denn, so erläutert die Kuratorin, „…In der Realisierung mußten wir wieder die alte Erfahrung machen, dass es nicht möglich ist, ein Bild zu machen, ohne es als Bild zu komponieren…“.(11)
Gegenwartsbezug
Bei der Suche nach Objektbedeutungen spielt zwar der vormuseale Produktions- und Gebrauchskontext der Museumsobjekte eine wesentliche Rolle, doch wird in den Raumbildern darauf kaum (oder nur in abstrakter Weise) Bezug genommen.(12) Wie bereits erwähnt, ist noch weniger beabsichtigt, diese Kontexte zu rekonstruieren. Die museale Ausstellung wird als Ort verstanden, wo schon durch den institutionellen Charakter und konkreten Ort originale Zusammenhänge aufgelöst, neu konfiguriert und Bedeutungen zugewiesen werden. Gemäß diesem Verständnis fungiert das Vergangene als Fundus, indem sich zuallererst die Erkenntnis der Gegenwart artikuliert und die Vergangenheit der ständigen Neu- und Uminterpretation ausgesetzt ist. Die Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart scheint grundsätzlich schon durch die Institution Museum selbst vorgegeben, da alle museologischen Tätigkeiten in irgendeiner Weise auf Vergangenheit, einschließlich der eben vergangenen Gegenwart, gerichtet sind, dabei aber von aktuellen Erkenntnissen, Vorstellungen und Interessen geleitet werden. Der somit unvermeidliche, oft aber ignorierte und unterschätzte Gegenwartsbezug museologischen und historischen Arbeitens wird hier als einflussreiche Größe der Konstitution musealer Sammlungen und Präsentation erkannt. Versuche der Einführung einer Zeitlosigkeit und Objektivierung der Präsentation werden zu Gunsten eines ausdrücklichen Gegenwartsbezugs aufgegeben. „…An die Stelle der Faktenanreihung, der Nacherzählung und der Inszenierung tritt dabei eine Begegnung radikalisierter Gegenwärtigkeit mit einem vergangenen Weltentwurf.
Radikalisiert soll heißen: Annäherung an einen geschichtlichen Entwurf aus einem Kraftzentrum heraus, das sich aus den aktuellsten Strömungen der Gegenwart speist, und zwar nicht nur theoretisch, in den Fragestellungen, sondern auch praktisch, in der Kunst desAusstellens…“. (13) Mit der „Kunst des Ausstellens“ meint Siepmann nicht das Verwenden neuester Gestaltungsmaterialien und -techniken,(14) sondern die Präsentationsform. An dieser muss wahrnehmbar und nachvollziehbar werden, dass die Präsentation das Ergebnis einer aktuellen Auseinandersetzung mit der Sammlung oder gesellschaftlichen Phänomenen ist.15 Damit soll die Rolle der das Museum leitenden Kultur in Bezug auf Darstellungen, Deutungen und Interpretationen reflektiert werden. Der Museumsraum bietet hier einen neuen Ort, wo den im Zusammenhang mit diesen Phänomenen typischen Objekten in einem neuen, verfremdenden Kontext andere, ungewohnte und unbeachtete Werte und Wertungen zugesprochen werden bzw. solche überhaupt erst thematisiert und problematisiert werden; beispielsweise wenn in Massenprodukten oder Reproduktionen individuelle Werte gesucht oder alltägliche Gebrauchs-, aber zugleich auch Abfallprodukte nach ihrer Ästhetik befragt werden. Als Experimentierraum und Versuchsanordnung, d.h. durch die fragmentarische, provisorische, aber auch thematisch zugespitzte, abstrahierte Form der Arrangements werden die Vorläufigkeit und Widerrufbarkeit der präsentierten und thematisierten Zusammenhänge, Konstellationen und Wertungen angezeigt.
Das Ausstellen ist damit als eine Form des kontinuierlichen Prozesses des Schreibens von Geschichte anerkannt.
Komposition – Die Präsentationsform der Raumbilder
Für die hier beschriebene Präsentationsform, welche im Werkbundarchiv-Museum der Dinge als Konstruktion von Raumbildern definiert wird, wurde im Rahmen der Dissertation der Autorin der Terminus Komposition eingeführt.(16) Ausgehend von der Geschichte der Museumstheorie rekurriert diese Form der Ausstellungsgestaltung auf dieForderungen und Ziele der seit den 80er Jahren als New Museology(17) diskutierten Ansätze. Diese Theorien lehnen lineare Geschichtserzählungen, systematische Präsentationen von Sammlungen sowie publikumswirksame, effektvolle Erlebnisausstellungen(18) ab. Alternative Präsentationsformen werden als Arrangement, szenische Anordnung, Präsentation komplexer Bilder bzw. Räume oder als Szenographie beschrieben.(19) Der Begriff Komposition wurde in Ermangelung einer einheitlichen etablierten Bezeichnung eingeführt. Etymologisch ist der Terminus auf das lateinische Verb „componere“ zurückzuführen, welches für „zusammenstellen“, „vereinigen“, „vergleichend gegenüberstellen“, „etwas zusammensetzen“ oder „schaffen“ steht. Das abgeleitete Substantiv „compositio“ bedeutet „Zusammensetzung“, „Zusammenstellung“, „Gestaltung“, „Anordnung“ und meint im allgemeinen Sprachgebrauch eine „kunstvolle Anordnung oder Zusammenstellung“. Im Ausstellungszusammenhang soll damit das vornehmlich ästhetisch und poetisch gestaltete In-Beziehung-Setzen von Ausstellungsobjekten und Ausstellungsraum als räumlicher, sinnlich wahrnehmbarer Ausdruck einer theoretischen Auseinandersetzung bezeichnet werden. Bereits im konventionellen Gebrauch umfasst der Begriff Komposition sowohl dieSchaffung eines musikalischen Werkes wie auch das musikalische Werk selbst, entsprechend soll auch hier sowohl der spezifische Gestaltungsprozess wie auch dessen Ergebnis, die Ausstellung selbst, als Komposition bezeichnet werden.
Ausgehend von einem dezidierten Bezug zur Gegenwart werden gemäß derAuffassung von der Unmöglichkeit eines umfassenden, objektiven Präsentierens von Geschichte und hinsichtlich der Variabilität möglicher Geschichtsschreibungen in Kompositionen apodiktischeTheorienund objektiv scheinende Erzählungen vermieden. Vielmehr wird das Konzipieren und Präsentieren von Ausstellungen als aktiver Prozess der Geschichtsschreibung verstanden, welcher sich primär auf die Museumsobjekte als Quellen bezieht. Durch eher ausschnittartige,abstrakte, oft gewagte und irritierende, manchmal provokante, auf jeden Fall als „experimentelle Versuchsanordnungen“(20) einer alchimistischen Museumsarbeit erkennbare Präsentationen sollen die Grenzen der Geschichtsschreibung, aber auch die des Museums als Institution einer individuellen Sammlung mit räumlichen, zeitlichen, personellen und finanziellen Beschränkungen im Blick behalten und kommuniziert werden. Entsprechend dieser experimentellen, gar risikovollen Arbeit beschreibt Eckhard Siepmann schon 1987 das damalige Werkbundarchiv „als Laboratorium für ein vernetzendes Museum“ und definiert näher:“…Laboratorien sind Orte, an denen man oft lange im Trüben fischt, blitzartig zu neuen Ergebnissen im Mikrobereich kommt, scheinbar Neues mit Altem verwechselt und umgekehrt…“(21). Die bedingungslose Offenheit gerade in Anbetracht herrschender Konventionen und daraus folgender Erwartungen der Positionierung konkurrierender kultureller Einrichtungen im Kampf um Besucher ist oft schwer durchzuhalten.(22) Denn der Auffassung von Ausstellungen als frei verfügbare, vielfältige Deutungsangebote und nicht als didaktisch geführte, objektive Interpretationen liegt die Absicht zu Grunde, die heterogenen und differenten, fragmentarischen und diskontinuierlichen Strukturen von Vergangenheit und besonders Gegenwart präsentierbar, vergleichbar und diskutierbar zu machen.(23) Kompositionen sind somit immer ästhetische und poetische Gestaltungeneines vorgegebenen Raumes, deren jeweils individuelle Erscheinungsform nicht auf die (Wieder)Erkennbarkeit eines anderen Kontextes gerichtet ist, sondern als räumlicher Ausdruck einer aktuellen, ideellen Auseinandersetzung verstanden wird. Die Frage der Authentizität stelltsich somit nicht vom Ausstellungskontext zu einem möglichen historischen Vorbild, sondern allein in Bezug auf die präsentierten Objekte. Die Metakommunikation von Kompositionen erhält damit einen räumlich konkreten, sinnlich erfahrbaren Ausdruck, womit ausgewählte Konnotationen fokussiert, problematisiert, manchmal ihre Existenz überhaupt erst bewusst gemacht werden können. Die für Kompositionen charakteristische Verbindung von Erkenntnis und Sinnlichkeit, von Begriff und Anschauung, von Eigenem und Fremden beschreibt Korff als Einheit von Analyse und Präsentation und begründet: „…Diese Präsentationsform erläutert die Schaustücke also nicht nur über Texte, sondern auch durch die Art ihrer Darbietung. Die analytischen Zusammenhänge werden nicht nur über das Wort mitgeteilt, sondern sie werden in eine ästhetische Dimension übersetzt – in jene Dimension, die dem Medium Museum als Ort sinnlicher Anschauung eigen ist…“(24) Die ästhetische und poetische Qualität der Raumkompositionen wird somit zur Bedingung für sinnliche Erkenntnis.