Scherben

6. Dez. 2013 – 3. März 2014

Eine Ausstellung von Sonya Schönberger / Christof Zwiener und dem Werkbundarchiv – Museum der Dinge

Im Mai 1945 glich Berlin einem Trümmerfeld. Meterhoch lagen Schutt und Asche in den Straßen. 770 000 Wohnungen waren zerstört oder unbewohnbar. Die unvorstellbare Menge von etwa 75 Millionen Kubikmetern Schutt kann man heute nur noch erahnen, wenn man sich auf einen der vierzehn Berliner Trümmerberge begibt. Hierher wurden von 1945 bis 1958 über Trümmerbahnen die enormen Mengen von all dem, was zerstört und nicht wieder zu verwerten war, transportiert. Es entstand eine neue „Topografie“. Bäume, Sträucher und Gras wuchsen nicht nur auf der obersten Schicht der Trümmer, sondern auch sprichwörtlich über den Zweiten Weltkrieg. Die Berge wurden stumme mahnende Zeitzeugen.

Heute, 70 Jahre nach dem Krieg sind die künstlichen Areale zu Parks geworden, die der Erholung oder als Aussichtspunkte auf die Stadt dienen. Durch Erosion und entwurzelte Bäume werden dort jedoch im Laufe der Zeit die Relikte der Vergangenheit immer wieder ans Tageslicht gebracht.

Sonya Schönberger und Christof Zwiener – zwei Berliner Künstler – sammeln im Rahmen einer künstlerischen Recherche mit dem Titel „641 objects without qualities“ auf den Berliner Trümmerbergen Fragmente von Alltagsgegenständen aus Keramik, Porzellan und Glas. Schönberger und Zwiener verfolgen mit ihrer Spurensuche keinen spezifisch archäologischen Ansatz, sondern beziehen sich auf eine schwer zu fassende Katastrophengeschichte und das ungeplante Wiederauftauchen von Erinnerungsfragmenten.

In der von den beiden Künstlern und dem Museum konzipierten Installation wurde ihre Scherben-Sammlung 2013/14 erstmals gezeigt. In der Kombination mit der Schausammlung des Museums und insbesondere seinem Sammlungsbereich „Dinge nach Katastrophen“ entstand eine spannungsreiche Beziehung.
Die dingliche Repräsentanz von Erinnerung ist die zentrale Verbindung zwischen dem künstlerischen und dem musealen Ansatz.  Mit den Scherben, die eher im archäologischen Museumskontexten  erwartet werden, tritt die fragmentarische Basis jeder musealen Erinnerungsfunktion deutlich hervor.

Sonya Schönberger (*1975) begab sich für ihr Langzeitprojekt „nix zu reißen und zu beißen“ auf eine höchst intime Spurensuche. Für die Recherchearbeit mit deutschen Zeitzeugen des Zweiten Weltkriegs in Deutschland und in den USA führte sie über 60 Gespräche im privaten Rahmen. Sonya Schönberger möchte die Auswirkungen der Traumata einer ganzen Nation auf die nachfolgenden Generationen untersuchen.

Christof Zwiener (*1972) hinterfragt in seinen Arbeiten die kollektiven und subjektiven Wahrnehmungen historischer Spuren im öffentlichen Raum. Seit 2011 recherchiert und dokumentiert er zur speziellen Thematik des DDR-Fahnenmasts in Ost-Berlin, welcher ein wichtiger Träger der allgegenwärtigen Staatssymbolik war. Ähnlich einer Stecknadel, die Orte auf einer Karte markiert, vermessen diese letzten Relikte der DDR-Staatsmacht subtil den Raum. Mit seinem aktuellen Projekt ADN Pförtnerhaus setzt er einem weiteren Überbleibsel, dem DDR Pförtnerhaus, ein Denkmal.