Die Ausstellung „Schreiben & Bauen“ basiert auf dem vom Werkbundarchiv in den 1980er Jahren erworbenen schriftlichen Nachlass des Berliner Architekten und Kulturreformers Hermann Muthesius (1861 – 1927).
Schreiben und Bauen bestimmten das Schaffen von Hermann Muthesius. Rund 8000 erhaltene Briefe bilden den Schwerpunkt des Nachlasses. Sie sind der Beweis für seine Vernetzung mit den wichtigsten Akteuren der englischen und deutschen Reformkultur um 1900. Im Zentrum der Ausstellung stehen die Briefwechsel mit Richard Riemerschmid, Mackay Hugh Baillie Scott, Charles Rennie Mackintosh und Großherzog Carl-Alexander von Sachsen-Weimar und Eisenach.
Die Archivalien dienen als Zeugnisse der Lebensstationen und Werke des Werkbundmitbegründers Hermann Muthesius. Bisher nicht publizierte Manuskripte zeigen sein Wirken als preußischer Staatsbeamter. DiePrivatperson Hermann Muthesius wird durch Stimmen aus seiner Familie gegenwärtig.
Hermann Muthesius arbeitete von 1887 bis 1891 als Architekt in Japan. Nach seiner Rückkehr nach Berlin trat er in den preußischen Staatsdienst ein und war ab 1896 für sieben Jahre technischer Attaché an der deutschen Botschaft in London. Anschließend reformierte er als Landesgewerberat das gewerbliche Schulwesen in Preußen. Gemeinsam mit anderen Werkbundmitgliedern suchte Muthesius nach einem neuen Verhältnis zwischen Kultur und Ökonomie, was sich in zahlreichen programmatischen Texten niedergeschlagen hat. Grundlegend
und für die Designgeschichte des 20. Jahrhunderts entscheidend war der sogenannte Werkbundstreit zwischen Hermann Muthesius und Henry van de Velde im Kontext der Werkbundausstellung 1914 um die Grundlagen der modernen, industriell geprägten Gestaltung.
Als Architekt schuf Muthesius zahlreiche Landhausbauten. In der Ausstellung wird die evangelische Kirche in Tokio dokumentiert, die den Anfang seiner Entwicklung als Architekt im Historismus markiert. Sein eigenes Wohnhaus in Berlin-Nikolassee zeigt ihn als Wegbereiter der Moderne.
Der Nachlass von Hermann Muthesius hat seine eigene Geschichte. Die Dokumente gingen durch viele Hände. Das Material wird ständig bearbeitet. Auch die Lücken und Fehlstellen können viel erzählen. Der Nachlass ist nicht nur die Lebensspur eines Einzelnen. Er weist über die Person Hermann Muthesius hinaus und ist Teil des kulturellen Gedächtnisses.
Die Ausstellung bietet den Besucherinnen und Besuchern verschiedene thematische Zugänge zu Hermann Muthesius: seine Biografie, seine Vernetzung, sein Werk. Der Einblick in den Nachlass lädt dazu ein, über das Thema Archiv nachzudenken.
Kernstationen der Ausstellung mit Leitobjekten
Biographischer Überblick mit Originaldokumenten und Audiostation
- In einem historischen Schubladenschrank wurden ausgewählte biographische Dokumente zu einzelnen Lebensstationen von Hermann Muthesius gezeigt. Da der Schubladenschrank nicht ständig ausgeliehen werden kann, muss für diesen Ausstellungsteil ggf. eine alternative Präsentationsweise entwickelt werden.
- Dazu gehört eine Audiostation mit einem Interview mit Renata Stepanek vom 19. Juni 2011. Renata Stepanek ist die einzig noch lebende Tochter von Hermann und Anna Muthesius.
Der Nachlass als Bild
- Um den ganzen Umfang des schriftlichen Nachlasses zu vermitteln, wurden die im Nachlass befindlichen Dokumente verpackt in Archivkartons innerhalb eines Vitrinenschranks gezeigt. Da der Nachlass nicht vollständig ausgeliehen werden kann, muss eine andere Form der Visualisierung konzipiert werden.
- Ergänzend wird beispielhaft ein persönliches Notizbuch von Hermann Muthesius „Verzeichnis meiner Japonica“ von 1888 präsentiert.
Die Italienische Reise und der Englandaufenthalt
- Materialien zu Hermann Muthesius’ Italienreise mit dem Buch Italienische Reise-Eindrücke von Hermann Muthesius, Verlag von Wilhelm Ernst & Sohn, Berlin (1898) mit gerahmten Handzeichnungen von architektonischen Details
- Ergänzend Fotomaterial und den Erinnerungen von Anna Muthesius an England aufgeschrieben für ihre Kinder und frühen Druckschriften zu Englandspezifischen Themen
Frühe Architekturthemen
- Konvolut von Zeichnungen und mehreren Fotos von der Evangelischen Kirche in Tokio von 1889 sowie einer Druckschrift von 1897 zu dem Thema
- Diverse Manuskripte und 5 gerahmten Zeichnungen zum Thema „Landhaus für einen reichen Besitzer“ von 1892
Forschung und Publikation
- Material zum Thema „Das englische Haus“ mit einer Mappe mit handschriftlichen Notizen (ca. 1899 – 1903) sowie dem 1904 publizierten Werk (2 Bde)
Das eigene Haus
- Abteilung zum Wohnhaus von Muthesius in Berlin Nikolassee von 1907 mit gerahmten Plänen (Grundriss, Schnitte, Ansichten) sowie einem von Muthesius selbst entworfenen Stuhl aus dem Musikzimmer aus Palisander
Ideen zur kunstgewerblichen Ausbildung
- Präsentation zum Thema Ausbildung mit dem 26 seitigen Manuskript „Der Werkstättengedanke im englischen kunstgewerblichen Unterricht“ von 1902
Konflikte im Kontext der Werkbundgründung
- Das Thema „Der Fall Muthesius und die Gründung des Deutschen Werkbunds“ wird mit der Druckschrift „Der Fall Muthesius. Ein Vortrag mit Akten und Briefen“, Separatabdruck der »Hohen Warte« von 1907 und dem 20-seitigen Typoskript „Unbenutzter Werkbundaufruf“ von 1907 veranschaulicht.
- Als Ergänzung zu diesem Thema eignet sich eine Bild-Ton-Schau zum Werkbundstreit von 1914 (in einer so genannten Peppers ghost box). Die Auseinandersetzung zwischen Hermann Muthesius und Henry van de Velde auf der Werkbund-Ausstellung von 1914 bezog sich auf die gestalterische Aufgabe von Künstlern in der industriellen Produktion und die Grundlagen der Produktgestaltung.
Zwei Hörstationen zur Korrespondenz von Muthesius:
(Pultartige Sockel mit Präsentationsvorrichtung hinter Glas und Kopfhörern)
- 1. Station zum Briefwechsel von H. Muthesius mit dem Großherzog Carl Alexander von Sachsen-Weimar-Eisenach (1818-1901) / ein originaler Brief als Exponat zwischen Glasscheiben und Briefwechsel von H. Muthesius mit dem englischen Künstler Charles Rennie Mackintosh (1868-1928) / zwei originale Briefe als Exponate zwischen Glasscheiben
- 2. Station zum Briefwechsel von Muthesius mit dem Architekten und Werkbund-Mitglied Richard Riemerschmid (1868-1957) mit drei originalen Briefen als Exponate, präsentiert zwischen Glasscheiben und von H. Muthesius mit dem englischen Künstler Mackay Hugh Baillie Scott (1865-1945) mit zwei originalen Briefen als Exponate, präsentiert zwischen Glasscheiben
Ordnen des Nachlasses im Archiv:
- Arbeitstisch mit analoger Zettelkartei als Verzeichnis aller Briefe im Nachlass kombiniert mit einem Computerarbeitsplatz zur Einsicht in den Bestand in der Datenbank des Museums
In unserer Publikationsreihe „Schaukasten“ ist ein Buch zur Ausstellung erschienen.
Die Ausstellung ist an jeweils andere örtliche Gegebenheiten anzupassen. Für nähere Informationen zu den Modalitäten wenden Sie sich bitte an: volkers|at|museumderdinge.de