Friedrich Naumann wird am 25. März 1860 in Störmthal bei Leipzig geboren. Von 1879 bis 1883 studiert er Theologie an der Universität Leipzig, um ab 1886 eine Pfarrei im Erzgebirge zu übernehmen. 1890 übernimmt er das Amt eines Vereinsgeistlichen in Frankfurt/M. und gründet 1896 den Nationalsozialen Verein, der sich für Demokratisierung, Sozialpolitik und eine expansive deutsche Außenpolitik einsetzt und gibt dessen publizistisches Organ Die Hilfe heraus. 1907 gehört er zu den Mitbegründern des Deutschen Werkbundes und wird in den Reichstag gewählt. 1918 ist er Mitbegründer der Deutschen Demokratischen Partei. Ein Jahr darauf, am 24. August 1919, stirbt er in Travemünde.
Naumann beschäftigt sich schon früh mit der Rolle Deutschlands in der Welt und tritt klar für eine expansive Außenpolitik ein. Die Grundlinien seines Nationalsozialen Vereins lauten denn auch wie folgt:
Wir stehen auf nationalem Boden, indem wir die wirtschaftliche und politische Machtentfaltung (…) nach außen für die Voraussetzung aller größeren sozialen Reformen im Innern halten.
Zit. nach: Die Zeit, S. 44
Die Idee der wirtschaftlichen Machtentfaltung bringt ihn später dazu, den Außenhandel als wichtiges Element der Erneuerung Deutschlands zu sehen. Der Außenhandel wiederum kann nur in Schwung kommen, wenn Deutschland qualitativ hochwertige Dinge produziert und einen nationalen Stil entwickelt. Diesen Gedanken formuliert er in seinem Aufsatz Die Kunst im Zeitalter der Maschinevon 1904:
An billiger Massenarbeit ist nichts zu verdienen. Sie muss auch gemacht werden, aber mit deutschen Kräften kann man auch besseres leisten. Die geringen Arbeiten nehmen früher oder später halbgebildete Völker an sich. […] Dann sind wir entweder ein Volk, dessen Stil […] sich in der ganzen Welt durchgesetzt hat, oder wir hungern mit den Orientalen um die Wette.
Werke 6, S. 191
Um die deutsche Qualitätsarbeit im nationalökonomischen Interesse zu fördern, ist er 1907 auch Mitbegründer des Deutschen Werkbundes. Im selben Jahr wird Naumann Mitglied des Reichstages und setzt sich dort für eine expansive Politik ein. Allerdings distanziert er sich immer mehr von der Idee der politischen Expansion und einer aggressiven Außenpolitik zugunsten einer starken wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit anderen Ländern. 1917 gründet Naumann die Staatsbürgerschule, die ab 1920 von Ernst Jäckh als Hochschule für Politik übernommen wird.
Zu seinen zahlreichen Schriften gehören unter anderem die politischen Entwürfe Demokratie und Kaisertum (1902), Neudeutsche Wirtschaftspolitik (1906, auf der Grundlage von Vorträgen von 1902), Mitteleuropa (1915) und die ästhetischen Schriften Form und Farbe (1909) und Ausstellungsbriefe (1909).
Literatur
Gerd Fesser: Wider die Verteufelung der Sozialdemokratie. In: Die Zeit Nr. 36. vom 20.8.1996. S. 44
Theodor Heuss: Friedrich Naumann. Der Mann, das Werk, die Zeit. Stuttgart 2. Aufl. 1949
Heinz Ladendorf (Hrsg): Friedrich Naumann. Werke, Bd. 6. Ästhetische Schriften. Köln 1969
Kurt Oppel: Friedrich Naumann. Zeugnisse seines Wirkens. Stuttgart 1961