Neuartige Konzepte von Ausbildungsstätten können internationale Strahlkraft erlangen, wie es das Bauhaus oder die Hochschule für Gestaltung in Ulm zeigen. Neben einer Darstellung der bundesrepublikanischen Entwicklung des Berufs1 existieren Publikationen zu einzelnen Institutionen, wie der Hochschule für Gestaltung Ulm, der HfG Offenbach, der weißensee kunsthochschule berlin und der Burg Giebichenstein (Halle), die abhängig von der Bekanntheit der Insitution und einzelner Protagonisten unterschiedliche Aspekte beleuchten. Das hundertjährige Jubiläum zur Eröffnung der „Großherzoglichen Lehr-Ateliers für angewandte Kunst zu Darmstadt“ auf der Mathildenhöhe war der Anlass für Justus Theinert und Kai Buchholz, sich mit der Geschichte sowie den entstandenen Werken an unterschiedlichen Bildungsstätten auseinanderzusetzen.2 Auch die Einbindung digitaler Werkzeuge in die Designausbildung oder die Veränderungen durch grafische Benutzungsoberflächen wurde reflektiert.3 Aber es fehlt, wenn man von Gert Selles Geschichte des Design in Deutschland (1994) absieht, ebenso wie im internationalen Rahmen, eine umfassende Auseinandersetzung, in der die institutionellen Entwicklungen im Ausbildungsbereich mit den kulturellen, politischen, sozialen, wirtschaftlichen, technischen und wissenschaftlichen Rahmenbedingungen zusammenhängend und im globalen Maßstab untersucht werden 4.
Die Etablierung zweier unterschiedlicher Wirtschaftssysteme in der deutsch-deutschen Nachkriegsgeschichte führte zu einer bemerkenswerten Bandbreite an Zielen und Ausbildungskonzepten, von denen im Folgenden nur einige schlaglichtartig genannt werden sollen: In Weimar etablierte sich die Hochschule für Architektur und Bauwesen (HAB) als international vernetzte Bildungseinrichtung mit Fokus auf industriellem Bauen. Mart Stam und der Bauhaus-Absolvent Selman Selmanagić prägten die weißensee kunsthochschule berlin und führten die Idee der verbindenden Grundlehre fort. Selmanagić entwarf 1955/56 unter Beteiligung von Peter Flierl, Günther Köhler und Erwin Krause den Erweiterungsbau der Hochschule, dessen Eingangsbereich von einem Wandfries von Toni Mau und Reliefs von Jürgen von Woyski gestaltet worden ist (siehe Tagungsvisual). In Halle wurde nach mehreren Umstrukturierungen die Ausbildungsrichtung der „Technischen Formgestaltung“ angestrebt, mit einem ersten Diplomabschluss zum „Industrieformgestalter“ 1961. In Offenbach entstand ab den 1970er Jahren in Zusammenarbeit von Absolventen der HfG Ulm / dem IUP Ulm Richard Fischer, Bernhard E. Bürdek und Jochen Gros mit Lore Kramer, Dieter Mankau und Petra Kellner der „Offenbacher Ansatz“. Unter dem Titel „Köllner Modell“ etablierte Michael Erlhoff mit Brigitte Wolf, Thomas Bley, Heinz Bähr, Günter Horntrich, Heiner Jacob und Wolfgang Laubersheimer ein konsequent projektorientiertes Modell an der Köln international School of Design (KISD).
Anlässlich des 2026 zu feiernden 80-jährigen Gründungsjubiläums der weißensee kunsthochschule berlin widmet sich die Gesellschaft für Designgeschichte im Rahmen ihrer Jahrestagung den unterschiedlichen Konzepten von Design und Ausbildung. Dabei kooperiert sie mit dieser wichtigen Ausbildungsstätte sowie dem Werkbundarchiv – Museum der Dinge. Zu untersuchen sind in diesem Rahmen die verschiedenen Designbegriffe, Ausrichtungen der Designausbildung und Curricula, die spezifischen Schwerpunktsetzungen an den Hochschulen in Ost und West, die internationale Vernetzung sowie prägenden Personen im historischen Vergleich.
Wir laden Beitragende ein, die sich mit folgenden Fragestellungen bzw. Themengebieten im Nachkriegsdeutschland auseinandersetzen:
Wie schreiben sich die Ideen der Gründungsgeschichten bei der Entwicklung der Ausbildungsstätten fort? Wie wirken sich unterschiedliche gesellschaftliche und wirtschaftliche Rahmenbedingungen auf die Zielsetzung der Disziplin aus? Welchen Einfluss haben Institutionen (z. B. Amt für Industrielle Formgestaltung) und Interessensverbände (z. B. Rat für Formgebung, VDID)? Wie veränderten Protagonist*innen die Ausrichtung von Institutionen? Welche Unterschiede lassen sich in den methodischen Ansätzen und den Schwerpunkten der Designausbildung herausarbeiten? Wie wirkten sich internationale Netzwerke in der Außenwahrnehmung der deutsch-deutschen Designhochschulen aus? Welche spezifischen Sichtweisen können daraus in Themenfeldern wie der „Humanisierung der Arbeit“, der zunehmenden Digitalisierung des Designs (incl. Interfacegestaltung UI/UX), dem Material Design oder Interpretationen zur Nachhaltigkeit abgeleitet werden? Wie verlief der Prozess des kulturellen Zusammenwachsens in der Designausbildung im wiedervereinigten Deutschland?
Die Gesellschaft für Designgeschichte lädt Lehrende, Zeitzeug*innen und Wissenschaftler*innen ein, Abstracts mit max. 3.500 Zeichen zu den oben genannten Themen einzureichen. Eine Kurzbiografie von maximal 800 Zeichen und Kontaktdaten (samt Telefonnummer) ergänzen die Unterlagen, die bis zum 30.03.2025 via: cfp@gfdg.org eingehen müssen. Eine Beteiligung als Referent/in umfasst einen Vortrag am 4. bzw. 5. Juli 2025 im Werkbundarchiv – Museum der Dinge in Berlin mit maximal 20 Minuten Länge sowie die Publikation des Beitrags im Sammelband „GfDg Schriften 8“.