Das Design eines Salz- und Pfefferstreuerpaares in Form zweier Figuren aus Pablo Picassos Gemälde „Guernica“ entspricht – ohne den populären Leitsatz „Form follows function“ aus Architektur und Design zitieren zu wollen – nicht den Gestaltungskriterien von Werkbund, Bauhaus oder HfG Ulm.
Sein Äußeres trägt nichts zur Gebrauchsfunktion der Streuer – Salz und Pfeffer einigermaßen zielgerichtet zu streuen – bei, lässt diese sogar fast unkenntlich werden. Dafür erfüllen derart gestaltete Konsumgüter andere Funktionen: sie dienen als Designstück der Distinktion, sind als Sammelobjekte wertvoll (v.a. in den USA gibt es seit langem eine riesige Sammler*innenszene), erfüllen als Souvenirs Erinnerungsfunktionen oder sind in diesen kriegerischen Zeiten sogar ein politisches Statement auf dem Esstisch (in der Türkei wurden vor einigen Jahren zwölf Gewürzspenderpaare in Gestalt von Köchen verhaftet, weil sie laut Istanbuler Antiterroreinheit dem PKK-Chef Abdullah Öcalan ähnelten). Kurz: Sie sind Ausdruck eines bestimmten Lebensstils.
Vorläufer der heutigen Salz- und Pfefferstreuer war zunächst die Sandbüchse als Teil des Schreibsets, um mit Tinte geschriebene Texte abzulöschen und später offene Schalen oder Salieren auf dem Tisch, denen mit einem Löffelchen oder der Messerspitze (Finger unfein!) das Salz entnommen wurde. Die ersten Patente auf Salz- und Pfefferstreuer wurden Ende des 19. Jahrhunderts angemeldet. (Fußnote: Ein sehr spezielles stammt vom Botaniker und Philosoph Raoul Heinrich Francé aus dem Jahr 1920. Sein der Mohnkapsel nachempfundener „Streuer für Gewürze, Medikamente u. dgl.“ gilt als Geburtsstunde der Bionik und sollte helfen, Kleinstlebewesen gleichmäßig auf der Erde zu verteilen.) Doch erst die vom amerikanischen Salzhersteller Morton Salt 1911 erfundenen sogenannten Rieselhilfen (z.B. Calciumcarbonat) besiegten die Neigung des Salzes, Feuchtigkeit anzuziehen und zu klumpen und verhalfen den modernen Salz- und Pfefferstreuern zum Durchbruch. Welch mannigfaltige (und häufig witzig bis skurrile) Welt seither entstanden ist, lässt sich in den nächsten Monaten noch im Rahmen unserer aktuellen Sonderausstellung „DINGE ORDNEN“ beobachten, in der tausende Exemplare „live“ in die Sammlung überführt werden.