ca. 1910, Ausführung Dresdner Werkstätten Hellerau
Dieser Stuhl ist Teil eines Küchenmöbel-Ensembles von Richard Riemerschmid. Wir zeigen ihn im Rahmen unserer neuen Sonderausstellung über die Objektbiografie aber nicht als herausragendes Beispiel der ersten industriellen Produktion von bezahlbarem Mobiliar für die breite Masse in Riemerschmids Maschinenmöbel-Programm, sondern als Forschungsobjekt der Restaurierungs- und Konservierungswissenschaft. Juliane Ritz untersuchte die Konstruktion aus Fichte und Rotbuche und die ursprüngliche cremeweiße Fassung des Stuhls mit nicht-invasiven (Fotografie, Infrarot-Reflektografie) und invasiven Methoden (Farbproben, Lösemitteltests). Sie bestimmte die Zusammenstellung von Pigmenten und Bindemitteln, unterschied klimatische, mechanische und biologische Schäden und rekonstruierte Reparaturen sowie die rot, gelb und grüne Neulackierung aus den 1970er Jahren. So schafft sie eine umfassende materielle Biografie des Stuhls und deckt Beziehungen zwischen Umformungen, Schäden, Reparaturen und Veralterung auf. Daraus ergeben sich Fragen nach der Zukunft des Stuhls: Konservierung, also Stabilisierung der Konstruktion und Reinigung der Oberflächen? Biografische Restaurierung, sprich alle Lebensphasen sichtbar machen? Oder Restaurierung zum Originalzustand und damit seine Lebensgeschichte unsichtbar machen?
Die Sonderausstellung „The Story of My Life. Objektbiografie als Konzept, Methode und Genre“ ist seit dem 19. Januar 2023 im Werkbundarchiv – Museum der Dinge zu sehen.