„der nutzer als finalist“ – zum Andenken an Rudolf Horn, Formgestalter und Hochschullehrer
Nach einer Begegnung mit dem „Barcelona-Chair“ von Ludwig Mies van der Rohe im Leipziger Grassi Museum entwirft Rudolf Horn Mitte der 1960er Jahre einen freischwingenden Clubsessel mit Bandstahlgestell. Das Modell wird in großen Stückzahlen produziert und nahezu ausschließlich exportiert.
Die Arbeit und Lehre Rudolf Horns – einem der einflussreichsten Formgestalter der deutschen Nachkriegsgeschichte – war geprägt von grundlegenden Fragen:
Wie kann mit einem Minimum an Ressourcen ein Maximum an Bedürfnissen befriedigt werden? Wie viel Individualität und Varianz lassen sich im Rahmen einer genormten Massenproduktion gewährleisten?
In diesem Sinne entwickelte Horn Gestaltungsansätze, in deren Mittelpunkt der Gedanke einer konstruktiven Offenheit gegenüber sich verändernden Nutzungsansprüchen stand. Ein Beispiel dafür ist das von Horn in den 1960er Jahren entwickelte Montagemöbelprogramm der Deutschen Werkstätten Hellerau (MDW).
Mit dem Programm trat an die Stelle eines fertigen Möbelkorpus mit definierter Nutzung ein aus standardisierten Einzelkomponenten bestehendes System, das zur Einrichtung von Flur, Schlaf-, Wohn-, Arbeits- und Jugendzimmern geeignet war und das nach individuellen Wünschen und Bedarfen zusammengestellt werden konnte. So wurde einer durch Standardisierung erzeugten Monotonie innerhalb eines ordnenden Rahmens Varianz hinzugegeben. Im Zentrum des mehr als 20 Jahre lang produzierten Möbel-Programms stand der „Nutzer als Finalist“.
Zu diesem schrieb Rudolf Horn 1981: „Denn die eigentliche Finalisierung des spezifischen Gebrauchs- und Gestaltwertes erfolgt in der Sphäre der individuellen Konsumtion der Nutzung. Die Vorbestimmung eines Industrieproduktes sollte deshalb so gering wie möglich sein. Das leisten formneutrale Teile von Erzeugnissystemen, sie stellen nicht nur optimale Voraussetzungen für die Nutzung dar, sondern sie ermöglichen eine rationelle Großproduktion. […] Der Nutzer als Finalist industrieller Produkte wandelt die Anonymität des Industrieerzeugnisses in ein individuelles Gebrauchsobjekt mit individuellem Gestaltwert um.“
Rudolf Horn, in „form + zweck“, 1981, Heft 6
Am 19. Oktober 2025 ist Rudolf Horn in Halle (Saale) gestorben.