Dieses Modell eines Freischwingers von 1929/1930 – eine Stilikone der klassischen Moderne – wurde von Marcel Breuer gestaltet.
Der Architekt und Designer Breuer, am Bauhaus in Weimar ausgebildet, war ab 1925 Leiter der Möbelwerkstatt am Bauhaus Dessau und hat in diesem Kontext auch Stahlrohrmöbel entwickelt. Als Ausgangspunkt seines Freischwingers diente ein Entwurf des niederländischen Architekten Mart Stam, der Gastdozent am Bauhaus war und 1926 in Rotterdam aus Gasleitungsrohren den Prototyp des ersten Stuhls konstruiert hatte, der ohne Hinterbeine auskam. 1927 präsentierte Stam dann zwei schwarz lackierte Versionen dieses „Kragstuhls“ (von „kragen“ = überstehen) als Teil der Einrichtung eines von ihm entworfenen Reihenhauses in der Stuttgarter Weißenhofsiedlung.
Der zunächst Breuer zugeordnete „B 64“/„S64“ ist eine deutliche Weiterentwicklung der ersten Modelle Stams, bei denen dieser noch Sperrholzplatten als Sitzflächen benutzt hatte. Das verchromte Stahlrohr wird durch Bugholzrahmen aus Buche für Sitzfläche und Lehne ergänzt, die mit Wiener Rohrgeflecht bespannt sind.
Die doppelte Bezeichnung dieses Freischwingers deutet auf den Patentstreit hin, den sich Breuer und Stam vor Gericht lieferten. Zum ersten Mal überhaupt wurde bei diesem Rechtsstreit anhand eines Gebrauchsgegenstandes die Frage des künstlerischen Urheberrechts verhandelt. Stam gewann die Auseinandersetzung: er erhielt 1932 das Patent und gilt seitdem als der Erfinder des Freischwingers. Die Firma Thonet, die sich die Rechte u.a. an diesem Stuhl gesichert hatte, benannte ihn daraufhin in „S 64“ um. Noch heute verkauft sie ihn aber als Entwurf von Breuer und merkt an, dass das geistige Urheberrecht bei Stam liegt.
Stams Freischwinger sind in unserer aktuellen Ausstellung „die frühen jahre“ zu sehen und der „B 64″/„S 64“ ist Teil unserer Dauerausstellung.