Die Tortenplatte mit keilförmigem Spritzdekor wurde 1935 von der Steingutfabrik Grünstadt AG produziert.
Die geometrische Formensprache des Dekors #6768 und die konstruktivistisch anmutende Dynamik des Keils kann als Referenz zu dem revolutionären Propagandaplakat Mit dem roten Keil schlage die Weißen (1919/1920) des russischen Künstlers El Lissitzky gelesen werden.
Diese politische Deutung steht jedoch im Widerspruch zur nationalsozialistischen Praxis der Verfemung einer abstrakten, modernen Formensprache ab 1933. Zudem wurde der Entwurf von der Steingutfabrik Grünstadt 1935 als Neuheit beworben, also im selben Jahr, in dem die Firma „arisiert“ wurde. Die Firmeneigner, die jüdischen Brüder Alfred und Eugen Siegel, waren gezwungen ihre Geschäftsanteile zu verkaufen. Ab 1936 leitete Heinrich Kalau vom Hofe das Unternehmen und in der nachfolgenden Phase wurden fast nur noch Blümchendekore produziert.
Die Steingutfabrik Grünstadt AG hatte bereits 1910 begonnen, das Spritzdekorverfahren für sich zu nutzen. Während anfänglich Früchte- und Blumendekore dominierten, erfolgte in den späten 1920ern der Wechsel zu einer abstrakteren und geometrischen Formensprache, die sich zu dieser Zeit bereits großer Popularität erfreute. Ab Mitte der 1930er Jahre brach diese Gestaltungsweise jedoch abrupt ab, verbunden mit einer Rückwendung zu traditionellen Mustern. Umso bemerkenswerter ist es, dass die Grünstadt AG als eine der erfolgreichsten deutschen Steingutfabriken ihrer Zeit noch 1935 mit einem solch modern anmutenden Design warb.
Unser Ding des Monats ist in verschiedenen Farbvarianten seit dem 10. Oktober 2019 im Rahmen der Sonderausstellung „Dekor als Übergriff?“ zu sehen, die sich dem populären Spritzdekor der 1920er und 1930er Jahre und den damit verbundenen, sozioökonomischen und technisch-künstlerischen Diskursen widmet.