An das Sekretariat des Staatlichen Bauhauses, Fräulein Heymann hat am 2. 11. unsere Abt. verlassen […].Ein Fenster hat sie entzwei geschlagen (Kosten ca. 15.- Mk), an der Zimmertür hat sie den Schlüssel, welchen sie übergeben bekommen hat, verloren (Kosten 12-18 Mk), die Stubentür hat sie lassen aufbrechen und das Schloss total ruiniert (Kosten 40-50 Mk), ferner hat sie den Schlüssel zum Kleiderschrank verloren (5-8 Mk). Ferner musste das Zimmer gereinigt werden, um dasselbe in einen wohnlichen Zustand zu bringen. Gez. M. K., Dornburg, den 4. November [19]21
Zitiert nach: 4 „Bauhausmädels“, Hg. Schierz, Rössler, Krautwurst u.a., Katalog Angermuseum Erfurt 2019, S. 122
Dieses frühe Dokument zeugt von Margarete Heymanns dramatischem Austritt aus der Bauhaus-Schule, nachdem ihr die dauerhafte Aufnahme in die Keramikwerkstatt zum wiederholten Male verwehrt wurde. Eine von Walter Gropius signierte Notiz aus demselben Jahr lässt in diesem Kontext auf eine kategorische Diskriminierung von weiblichen Bauhaus-Mitgliedern schließen: „Frauen können in der Töpferei vorerst nicht aufgenommen werden. Frauenabteilung, oder Buchbinderei. – G.“ (Zitiert nach ebda., S. 124).
Nach ihrem Abgang vom Bauhaus jedoch erlangte Margarete Heymann rasch öffentliche Anerkennung. Als Mitbegründerin und spätere Leiterin der Werkstätten für künstlerische Keramik G.m.b.H. exportierte sie ihre Produkte weltweit unter dem Warenzeichen Haël, das die Initialen des Paares Heymann-Loebenstein kombinierte. Mit dem HL-Logo als eingetragene Fabrikmarke wurde die 1925 dem Deutschen Werkbund beigetretene Firma von Beginn an erfolgreich vermarktet und ihre Produktion als „künstlerisch wegweisend, in Form, Präzision und Glasur“, als „Spitzenleistung des modernen vollfarbigen Steinguts“ rezensiert. Infolge der Machtergreifung des nationalsozialistischen Regimes nahm ihre Erfolgsgeschichte zunächst ein jähes Ende: Als jüdische Unternehmerin musste Margarete Heymann die Haël-Werkstätten mit großem Verlust zwangsverkaufen. Die künstlerische Leitung übernahm fortan Hedwig Bollhagen.
Diese futuristisch anmutende Tasse eines Teeservices von Haël steht repräsentativ für das künstlerische Selbstverständnis Margarete Heymanns, das technische Präzision mit selbstbewusstem Design verband. Das modular aufgebaute Service war für die Durchschnittsverbraucher*innen erschwinglich und in variablen Ausführungen von mattglasiertem Steingut bis hin zu Alpaka, Ebenholz und Elfenbein erhältlich. Obgleich die geometrische Formensprache der Tasse Funktionalität suggeriert, handelt es sich vielmehr um eine ästhetische Vorstellung von Funktionalität, die nicht in der pragmatischen Handhabung eingelöst wird: Tatsächlich sind die Griffe schwer zu halten, sobald die Tasse gefüllt ist. Dennoch zählt dieses Service mit den zeitlosen, konisch zulaufenden Formen und den charakteristisch gedoppelten Scheibenhenkeln heute zu den begehrtesten Sammlerstücken von Haël.
Unser Ding des Monats ist ab 10. Oktober 2019 im Rahmen der Sonderausstellung „Dekor als Übergriff?“ zu sehen, die sich dem populären Spritzdekor der 1920er und 1930er Jahre und den damit verbundenen, sozioökonomischen und technisch-künstlerischen Diskursen widmet.